Auf der Suche nach Johann Schop

Detlef Hagge

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Früher kannte der Autor den Namen Johann Schop nur flüchtig als Beispiel eines frühen Geigen-Virtuosen sowie als Komponist des Chorals „Sollt ich meinem Gott nicht singen“ und einiger weiterer Choräle im ev. Gesangbuch. Erst durch die Aufführung eines Werks anläßlich eines Konzerts in Groningen (am 26. Mai 1972) wurde der Autor auf den Hamburger Komponisten und Musiker jedoch in einem besonderen Maße aufmerksam. Musiziert wurde nach einer „Rekonstruktion“, die der Musikwissenschaftler Dr. Gustav Fock schon in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg verfertigt hatte. Diese Rekonstruktion, die in Teilen eher als eine Nachkomposition im Stile Schops bezeichnet werden muss, war nötig geworden, weil das betreffende Werk seinerzeit nur fragmentarisch zugänglich gewesen war.

Der Autor begann also nun seinerseits eine Recherche zu Johann Schop, die nicht ohne archäologischen und detektivischen Reiz blieb. Einem Quellenhinweis (RISM) folgend besuchte er dabei auch das in dem Dorf Udestedt bei Erfurt (Thüringen) beheimatete Pfarr-Archiv. In einem Kleiderschrank aufbewahrt fand sich daselbst eine Musikalien-Sammlung, die Einzelstimmen verschiedener, meist ungenannter Komponisten enthielt. Es handelte sich um den Nachlaß des Kantors Tobias Friedrich Bach (1695-1768), Sohn des Johann Christoph Bach. Ein hilfsbereiter Küster aus Udestedt sagte zu, mit seiner Kamera von einigen Stimmen, die auf Johann Schop hindeuteten, Aufnahmen zu machen und zu versuchen, diese über die innerdeutsche Grenze zu befördern – ein in der genannten Zeit sehr abenteuerliches Unterfangen! Nach einigen Monaten des Zusammentragens kamen so zu Noten aus Kassel, Wien und Zürich schließlich noch weitere Ablichtungen Schopscher lnstrumentalmusik hinzu. Die Untersuchung der Materialien aus Udestedt trug allerdings ungeahnte Früchte. Beim „puzzeln“ von Einzelstimmen in teils schwer entzifferbaren Reproduktionen auf Fotostat-Papier und Negativen fanden sich glücklicherweise auch die fehlenden Stimmen der in Teilen verschollen geglaubten lnstrumentalmusik: Alle Tänze aus den Jahren 1633 und 1640 ließen sich nunmehr lückenlos ergänzen!
Doch noch war nicht alle Arbeit getan. Im Rahmen der Zusammenstellung erwies es sich wegen des teils problematischen Bestands als nötig, die Ergänzung der Kompositionen jeweils mit dem Ende zu beginnen, da hier alle Stimmen zwangsläufig zusammentreffen mussten. Tatsächlich gelang auf diese Art die wirkliche Rekonstruktion der fragmentarisch überlieferten Werke – auch ließ sich aus dem Vorwort einer glücklich wieder aufgefundenen Cantus-Stimme manche Information zur Person und zum Werk des Johann Schop entnehmen.

Wie konnte es aber geschehen, dass ein Musiker, der lange Zeit zusammen mit Schein, Scheidt und Schütz gerühmt wurde, so sehr in Vergessenheit geriet? Eine Ursache für diesen Sachverhalt mag in den nur spärlich erhaltenen Quellen zu Leben und Werk begründet liegen. Nach einer Notiz Chrysanders soll Johann Schop in Hamburg geboren sein. Mittels des wiederentdeckten Vorworts in der Cantus Stimme von 1633 lässt sich diese Vermutung in der Tat erhärten. Das genaue Geburtsdatum Johann Schops ließ sich jedoch bis heute nicht ermitteln. Es muss aber um 1590 liegen, denn bereits 1614 fordert ihn Michael Praetorius für seine reorganisierte Hofkapelle in Wolfenbüttel an: „...Johann Schop, ein sehr guter Discant Geiger: kann das Seine uff der Lauten, Posaunen und Zinken auch prästiren.“ Von 1615 bis 1619 war Schop Mitglied der dänischen Hofkapelle. Nachdem ihn die Pest 1619 von dort vertrieben hatte, weilte er einige Zeit in Paris. Ab 1621 ist er als Direktor der Hamburger Ratsmusik, später auch als Organist und Städtischer Kapellmeister bis 1665 nachweisbar. In Hamburg hat Johann Schop bis zu seinem Tode im Jahre 1667 (zwischen „Johanni und Michaelis“, dem 24. Juni und dem 29. September) gelebt – in den Kämmereiakten hat an „Johanni“ noch Johann Schop selbst den Erhalt des Verdienstes quittiert, an „Michaelis“ bereits seine Witwe. Seine Grabstätte ist nicht bekannt. In einer Ansprache (möglicherweise die Traueransprache für Johann Schop) von Balthasar Schupp, Pastor an der St. Jacobi Kirche in Hamburg, aus dem Jahr 1667 lesen wir über Schop und das Hamburger Musikleben des 17. Jahrhunderts folgendes: „Wann ich nun mich wollte in musica vocali üben / so wollte ich deswegen eben nicht auff eine Teutsche in einem kleinen Land-städtlein gelegene Universität ziehen / sondern wollte zu Hamburg suchen den edlen Scheidemann / den vortrefflichen Matthias Weckmann / den wohlberühmten Johann Schopen / und andere Künstler / derengleichen in etlichen Königlichen / Chor und Fürstlichen Capellen nicht anzutreffen sind.“ Diese Worte vermitteln ein eindrückliches Bild von der hohen Auffassung, die die Zeitgenossen von der Persönlichkeit Johann Schop und seiner Musik hatten. Es bleibt zu hoffen, dass auch in diesen Tagen seine Musik wieder neu einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.